Frau Weyl bei ihrem letzten persönlichen Besuch an der Gesamtschule Mittelkreis 2020.
Foto: Markus van Offern

 

Am vergangenen Montag begingen die Schülerinnen und Schüler des zehnten Jahrgangs den alljährlichen Geschichtsexkursionstag, wenn auch etwas anders als üblich. Weil uns das Corona-Virus noch immer begleitet, entschied die Fachschaft Geschichte, den Exkursionstag digital stattfinden zu lassen.

Von den heimischen Endgeräten aus beschäftigten sich die Schülerinnen und Schüler mit der Geschichte Kölns im Nationalsozialismus, indem sie eine virtuelle Stadtführung erlebten und anschließend weiterführende Aufgaben bearbeiteten. Besonders betrachtet wurde die Geschichte des EL-DE-Hauses am Appellhofplatz 23 – 25, in dem von 1935 bis 1945 der Sitz der Gestapo in Köln war.

Wie es an der Gesamtschule Mittelkreis langjährige Tradition ist, stellte der Zeitzeugenbericht der Holocaust-Überlebenden Eva Weyl den Höhepunkt des Tages dar. Ebenfalls aufgrund der noch immer andauernden Pandemie berichtete die 87-Jährige den Schülerinnen und Schülern nicht vor Ort, sondern live per Videokonferenz von ihren Erlebnissen und denen ihrer Familie während der NS-Schreckensherrschaft.

Die aus Arnheim stammende Eva Weyl nahm die Schülerinnen und Schüler mit auf eine Reise durch ihre Kindheit. Ihre Eltern hatten schon früh ihr Kaufhaus in Kleve aufgegeben, um der Diskriminierung und Ausgrenzung durch die Nationalsozialisten zu entkommen, in der Hoffnung, in den Niederlanden ein neues Leben beginnen zu können. Kurz nach ihrer Flucht wurde diese Hoffnung durch die deutsche Besatzung der Niederlande zerstört.
Ab 1942 musste Eva Weyl mit ihrer Familie dreieinhalb Jahre in dem KZ-Sammellager Westerbork bei Groningen leben. Sie berichtete, wie besonders und perfide das Lager Westerbork war, in dem der Lagerkommandant Albert Konrad Gemmeker eine beinahe „heile Welt“ entstehen ließ, in der genug Essen und Arbeit für alle da war. Die Kinder gingen zur Schule und regelmäßig gab es Kabarettabende, zu denen Gemmeker andere hohe NS-Funktionäre einlud. Sogar ein Krankenhaus gab es, in dem sich die Lagerinsassen von Krankheiten erholen konnten, nur um später in die Vernichtungslager deportiert zu werden.
Mithilfe von Bildern, Fotos und Karikaturen schilderte Frau Weyl die als Hoffnung getarnte Grausamkeit des Lagersystems.

„Es ist nicht eure Schuld, was damals passiert ist. Aber es ist eure Verantwortung, dass so etwas nie wieder passieren darf! Ich bin bald nicht mehr da. Ihr seid meine Zweitzeugen!“ Mit diesen Worten beendete Frau Weyl ihren Vortrag, bevor sie noch für Fragen der Schülerinnen und Schüler zur Verfügung stand.
Nach der anfänglichen Sprachlosigkeit wurde die Ergriffenheit bei den Schülerinnen und Schülern deutlich: „Ich bin froh, dass wir noch die Chance hatten, eine Zeitzeugin zu hören. Es ist so wichtig, dass dieser Teil unserer Geschichte niemals in Vergessenheit gerät!“