Maria-Magdalena-Kirche

Name: Katholische Pfarrkirche St. Maria-Magdalena

Ort: Kirchhof, 47574 Goch

Entstehungszeit: 13. Jahrhundert

Die katholische Pfarrkirche St. Maria Magdalena ist eine der ältesten Kirchen am unteren Niederrhein. Die Mitte des 13. Jahrhunderts erbaute Kirche litt während ihres gesamten Bestehens immer wieder unter kriegerischen und natürlichen Einflüssen. Zu unfreiwilliger Berühmtheit verhalf ihr der Einsturz des Kirchturmes 1993.

Bei Ausgrabungen nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Existenz einer romanischen Kirche spätestens für das 12. Jahrhundert, möglicherweise sogar schon für das 11. Jahrhundert, festgestellt. Laut dem Online-Kirchenarchiv ist die Stadtgründung auf die Jahre 1234 und 1235 zurückzuführen. Somit liegt eine zeitgleiche Pfarrerrichtung nahe, damals unter dem Patrozinium des Heiligen Georg. Schriftlich wurde jedoch für eine katholische Kirche in Goch als erstes Datum das Jahr 1306 festgehalten. 1310 war in dieser ein Nikolausaltar bekannt. Aufgrund steigender Bevölkerungszahlen wurde ein vollständiger Kirchenneubau im gotischen Baustil beschlossen und im Jahr 1323 mit der Weihung der heiligen Maria Magdalena fertiggestellt. Das Patrozinium der Maria Magdalena war beim mittelalterlichen Adel sehr beliebt und ist in Europa, besonders in Deutschland und Österreich, weit verbreitet. Der heilige Georg blieb weiterhin Stadtpatron.

Die neu errichtete Hallenkirche, die auch schon einen Kirchturm besaß, gehört zu den ersten Backsteinkirchen am Niederrhein. Sie beschreibt als zweischiffige Kirche die Standorte des heutigen Mittel- und Nordschiffes und wurde 1340 durch einen Chor ergänzt. In dieser Zeit erwarb die Kirche vom Papst und 15 Bischöfen in Avignon unterzeichnete Ablassurkunden, die Teilnehmern an der Marienprozession in Goch die Sünden erließ. Bis 1466 wurden weitere päpstliche Ablassurkunden durch die Kirche erworben.

Von 1420 bis 1450 wurde die Kirche umgebaut und dabei nahezu komplett umgestaltet. Das heutige Südschiff wurde als größtes Kirchenschiff angebaut und bis zum Kirchturm vorgezogen, welcher aufgestockt wurde und sich jetzt in der Westfront der Kirche befindet. Außerdem erhielt die Kirche eine neue Glocke mit einem Durchmesser von 71 cm und einem Gewicht von 232,5 kg sowie der Inschrift „SANCTE MARIA INT IAER ONS HEREN MCCC EN LVII“. Zusätzlich wurden die beiden bereits existierenden Kirchenschiffe weitgehend neu gebaut, zeigten aber im Vergleich zu ihren Vorgängern vermutlich nur geringfügige Unterschiede. Im Jahr 1571 erhielt die Pfarrkirche von Henrik Hermanns aus Venray ihre erste Kirchturmuhr. Zu dieser Zeit wurde der Kirchhof an der Südseite der Kirche als Friedhof verwendet. Er gilt als der älteste Gocher Friedhof und war zum Großteil von Häusern umgeben. Die zwei (oder drei) Eingänge waren mit Toren (Kircheisen) verschlossen, die jedoch das Eindringen von Tieren nicht vollständig verhindern konnten. Deshalb wurden zeitweise Hirten angestellt, die eingedrungene Tiere vom Kirchhof vertrieben und somit das Ausbuddeln und Auffressen von Leichenteilen durch diese verhindern sollten.

Nach der Reformation fehlte der gegen Anfang des 17. Jahrhunderts neu entstandenen evangelischen Gemeinde in Goch noch ihr eigenes Gotteshaus, weshalb von 1614 bis 1621 häufig auch zeitgleiche Gottesdienste von Reformierten und Katholiken abgehalten wurden. So kam es auch zu protestantischen Bestattungen auf dem Kirchhof. Im Januar 1625 wurde die Stadt Goch, damals noch unter spanischer Herrschaft, von etwa 1200 niederländischen Soldaten unter der Führung des Gouverneurs Lambert Charles von Nijmegen erobert. Der sogenannte „Bildersturm von Goch“ war ein Racheakt des Gouverneurs für die Vertreibung der Protestanten aus der Kirche und für die Tatsache, dass zehn Jahre zuvor 16 Gocher Bürger vor einem Klever Gericht unerwartet nicht hingerichtet worden waren. Lambert Charles starb jedoch gut eine Woche nach dem Überfall. Bei dem Bildersturm wurde die gesamte Inneneinrichtung der Kirche zerstört, in der Kirche wurden hölzerne Gegenstände aufgestapelt und auf einem Haufen verbrannt. Das Geld aus den Opferstöcken soll unter niederländischen Soldaten aufgeteilt und die Kirche anschließend als Stall benutzt worden sein. Eine Legende erzählt von einem Soldaten, der ein Kreuz von der Wand entfernen wollte und sich dabei den Arm brach. Daraufhin wollte ein anderer Soldat dem gekreuzigten Jesus ins Gesicht schießen, wobei allerdings sein Gewehr explodierte und seinen Arm abriss. Das Kreuz ist noch heute über dem Taufbecken in der Kirche zu sehen. Außerdem wurden sämtliche Kunstschätze der Kirche und das Kirchenarchiv vernichtet. In der Folgezeit stand somit der Ausbau der kirchlichen Ausstattung im Vordergrund. Besonders erwähnenswert ist die Barockkanzel, die unter Pfarrer Everhard von Schrieck 1683 aufgestellt wurde.

Am 9. September 1716 erfolgte aber ein erneuter Rückschlag für die Pfarrgemeinde: Nach einem Blitzeinschlag brannte der Turmhelm der Kirche ab. Bei den Löscharbeiten kamen zwei Gocher ums Leben. Innerhalb der nächsten zwei Jahre baute man den Turm wieder vollständig auf, der Turm war aber durch den Brand so destabilisiert, dass der Brand als Faktor für den späteren Kirchturmeinsturz gesehen wird. Knappe einhundert Jahre später brannte der Turm erneut nach einem Blitzeinschlag. Dieser Brand richtete jedoch kaum Schaden an. 17 Jahre nach einem erneuten Blitzeinschlag im Juli 1859 erhielt die Kirche zum Abschluss verschiedenster Renovierungsarbeiten (unter anderem der Einbau einer neuen Turmuhr aus Recklinghausen) einen Blitzableiter. Der Turm gehörte nun auch offiziell der Kirche, denn zuvor wurde er vom vorherigen Eigentümer, der Stadt Goch, als Wehrturm genutzt und nun auch katastermäßig übertragen.

Während die Kirche vom Ersten Weltkrieg unberührt blieb, war die vergleichsweise einfache Suche nach einem Gasleck weniger erfolgreich. Die Verwendung eines Streichholzes führte zu einer heftigen Gasexplosion, bei der Fußboden und Bänke zerstört wurden. Zudem zersprangen sämtliche Kirchenfenster, diese wurden 1929 durch neue Fenster der Päpstlichen Hofglasmalerei Derix in Kevelaer ersetzt. Während des Zweiten Weltkrieges beschlagnahmte man drei von vier Glocken zur Herstellung von Kriegsmaterial. Am 1. Weihnachtstag 1941 läuten die Glocken zum letzten Mal, sie wurden zu Weihnachten 1943 durch Schallplattenaufnahmen ersetzt. Beim Luftangriff der Alliierten am 7. Februar 1945 wird die Kirche schwer beschädigt. Daraufhin wurde die Mittelschiffsäule von SS-Leuten gesprengt, um die Kirche als Landmarke für Feinde unbrauchbar zu machen. Die Kirche wurde dadurch stärker beschädigt als beim vorherigen Luftangriff. Dennoch gelang es britischen Soldaten mit dem Ziel, den im Chor befindlichen Kirchenschatz zu stehlen, in die Kirche einzudringen. Verhandlungen mit den Soldaten konnten diesen Raub aber verhindern. Nach dem Krieg entfernten Freiwillige den Schutt aus der Kirche, welche aber weiterhin nicht benutzbar war. 1946 wurde das Dach repariert, um das Gebäude vorerst zu sichern. Der erste Gottesdienst nach dem Wiederaufbau fand am 01.Oktober 1949 im Südschiff statt, während das Nord- und Mittelschiff noch zerstört waren. Sie wurden erst 1953 vollständig wiederaufgebaut. Bis dahin nutzten Archäologen die Chance, Grabungen in der Kirche durchzuführen. Neujahr 1950 erklang von einer an einem Balkengestell vor der Kirche aufgehängten Glocke wieder Geläut. Die Glocke wurde später im Turm aufgehangen. 1961 hingen die fünf neuen Glocken endgültig im Turm und läuten an Weihnachten zum ersten Mal.

Bis 1993 werden weitere kleinere Renovierungsarbeiten in der Kirche durchgeführt. Außerdem hielt man den ersten ökumenischen Gottesdienst in der Kirche ab. Am 24. Mai 1993 erlangte die Kirche weltweite Berühmtheit. Nach einem großen Gottesdienst am Vorabend stürzte um 2:27 Uhr nachts der Kirchturm ein. Die Spitze des Kirchturms verfehlte das Pfarrhaus nur knapp; wie durch ein Wunder gab es keine Toten. Das Kirchendach und die Inneneinrichtung wurden allerdings schwer in Mitleidenschaft gezogen, insgesamt belief sich der Schaden auf 6,7 Mio. DM. Spätere Analysen zeigten, dass eines der eingezogenen stabilisierenden Stahlseile gerissen war und der Turm dem durch zu schwere Glocken verursachten Druck nicht standhalten konnte. Die Kirchengemeinde entschied sich 1995 für einen neuen Kirchturm in moderner Optik und damit gegen einen Entwurf einer Kirche ohne Kirchturm. Am 02. Juli 2000 wurde der Grundstein für den neuen Turm gelegt, der am 24. Mai 2003 genau zehn Jahre nach dem Einsturz eingeweiht wurde. Der neue Turm ist nicht mehr mit der Kirche verbunden und besitzt einen Schwingungsausgleich. Die Kosten von 17,75 Mio. DM für den Wiederaufbau trugen zu 15 Mio. die Pfarrgemeinde, zu 2,2 Mio. das Bistum Münster und zu 250.000 DM die Deutsche Stiftung für Denkmalschutz. Von den Glocken konnten zwei weiterverwendet werden, vier wurden neu gegossen und am 15. Februar 2004 geweiht.